Stallkeime im Krankenhaus

Prof. Heinz Michael Just, Mitglied der Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention am Robert-Koch-Institut in Berlin:
Über 80 Prozent der multiresistenten Keime, die wir isolieren, bringen die Patienten mit. Die anderen, die als sogenannte krankenhauserworbene Keime gelten, sind zum großen Teil möglicherweise auch mitgebracht. Nur man hat sie nicht gleich diagnostiziert. Die kommen erst im Laufe des Aufenthaltes zutage, etwa bei Infektionen.“

Entgegen der weitverbreiteten Meinung holen sich die Patienten die multiresistenten Keime also meist nicht in der Klinik. Sie bringen sie schon von zu Hause mit. Der inflationäre Einsatz von Antibiotika in der Humanmedizin, aber in noch größerem Ausmaß in der Tiermast führt zu immer mehr Antibiotika-resistenten Keimen. Viele sprechen daher bereits von „Stallkeimen“, oder um „DIE ZEIT“ zu zitieren: „Die Rache aus dem Stall“.

Wesentliche Ursache für die zunehmende Unwirksamkeit unserer lebenswichtigen Antibiotika ist die Industrielle Massentierhaltung! Laut der neuen EU- Tierarzneimittelverordnung von 2022 sollen Antibiotika zwar nur an kranke Tiere gegeben werden, in Ausnahmefällen ist jedoch auch die vorbeugende Gabe von Antibiotika möglich. Antibiotika können auch an die ganze Herde vorbeugend gegeben werden, wenn ein anderes Tier in der Herde Symptome zeigt (der Fachbegriff dafür ist »Metaphylaxe«), Damit ist der Antibiotikaverbrauch in der Massentierhaltung nach wie vor ein großes Problem.

Hinzu kommen noch illegale Grauimporte aus anderen Ländern. Im Laufe von Jahren sind durch diese immensen Antibiotikagaben immer mehr Bakterienarten resistent gegen Antibiotika geworden, sowie auch zunehmend gegen die hoch potenten und für die Menschen überlebenswichtigen sog. Reserveantibiotika. Diese Reserveantibiotika werden in der Massentierhaltung weiterhin vorbeugend in großen Mengen bei gesunden Tieren eingesetzt! Das gehört auf der Stelle verboten!

Die antibiotika-resistenten Killerkeime werden über Kontakte von Tier auf Mensch – und umgekehrt – übertragen, außerdem geraten sie auch in die Umwelt, wie z.B. durch die Gülle und damit sogar auf vegetarische Produkte und ins Grundwasser.

Nach Angaben von Germanwatch zeigen Daten von
2012-2021 dass fast jedes zweite Hähnchen mit Resistenzen gegen
Reserveantibiotika kontaminiert ist. Aus Antibiotikaresistenzen aus der
Tierhaltung geht eine immens große Gefahr für Menschen aus.

Der angesehene Ökonom Jim O’Neill hat im Auftrag der britischen Regierung errechnet, dass schon heute weltweit bereits 700.000 Menschen jedes Jahr an multiresistenten Keimen sterben. Wenn nicht zügig einschneidende Maßnahmen politisch getroffen werden, prognostiziert O’Neill in seinem Bericht 10 Millionen Todesfälle pro Jahr weltweit.

Exemplarisch Zahlen zu dem bekanntesten multiresistenten Keim MRSA:
Das Hygiene Institut der Universitätsklinik Münster führt in einer Publikation – unter Berücksichtigung div. Studien – folgende Zahlen für MRSA-Träger auf (Abstrich aus der Nase):
80-90% der Schweinehalter!
Bis zu 45% der Tierärzte!
Hingegen ist die übrige Bevölkerung in Deutschland, ohne regelmäßigen Tierkontakt oder beruflichen Kontakt mit MRSA-Trägern unter fünf Prozent betroffen.
Daraus geht ganz eindeutig hervor, dass die Problematik insbesondere aus den Tierställen der Massentierhaltung kommt. Tragisch ist, dass daher insbesondere Landwirte und Tierärzte zur Risikogruppe der MRSA-Träger zählen.

Laut Paul-Ehrlich-Gesellschaft / Arbeitsgruppe GERMAP auf Initiative des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit haben in den letzten zehn Jahren Infektionen durch multiresistente Darmkeime erheblich zugenommen. Diese Keime stammen nachweislich zu einem großen Teil aus der Tierhaltung.
Die häufigsten lebensmittelbedingten Krankheiten in der EU werden durch das Bakterium Campylobacter und Salmonellen verursacht.
Diese sind zunehmend in hohem Maße resistent gegen Antibiotika. Mittlerweile extrem hohe Resistenzen von 60-70 % bestanden gegenüber dem in der Tiermast breit angewandten Reserveantibiotikum Fluorchinolon.

Gegen das Reserveantibiotikum Colistin – welches in großem Umfang in der Massentierhaltung Anwendung findet – sind international und auch in Deutschland Resistenz-Gene nachgewiesen worden.
Diese Tatsache ist sehr alarmierend! Dieses neu entdeckte Resistenzgen mcr-1 kann sich im Gegensatz zu den vorher bekannten Colistin-Resistenzen auch zwischen verschiedenen Bakterienstämmen übertragen und damit noch schneller ausbreiten.
Das Deutsche Zentrum für Infektionsforschung (DZIF) hat in diesem Zusammenhang bei einem menschlichen Isolat eine Doppelresistenz gegen Colistin und einem anderen Reserveantibiotikum (Carbapeneme) gefunden. Diese Tatsache ist fatal für die Humanmedizin.

Die Universität Cambridge aus Großbritannien fand bei annähernd 200 Geflügel- und Schweinefleischproben aus großen Supermarktketten heraus, dass jeweils 100% bzw. 97% mit dem Bakterium E.coli belastet waren.
Diese E.coli-Bakterien zeigten zu 79% bzw. 63% Antibiotika-Resistenzen!
Besonders katastrophal waren die erheblich ansteigenden Resistenzen gegen lebenswichtige Reserveantibiotika:

Es gibt natürlich eine Unzahl von Untersuchungen diverser Fachinstitute weltweit, die von sehr extremen Belastungen durch multiresistente Bakterien beim Fleisch aus der Industriellen Massentierhaltung berichten und die Tatsache zweifelsfrei belegen. Man könnte hier stundenlang weiter zitieren, die Fakten sind klar, wer hier gegenteiliges behauptet, verschließt die Augen vor den Tatsachen.

Wir brauchen jetzt dringend endlich eine Agrarwende!
In der Politik wird zwar in letzter Zeit viel geredet über Ökolandbau, aber bislang ist wenig passiert. Zur Zeit haben wir in Deutschland knapp 14 % ökologisch geführte Landwirtschaftsbetriebe. Wir brauchen natürlich dringend eine wesentlich höhere Zielmarke und schnellstens entsprechende gesetzliche Maßnahmen, um dort zügig hinzukommen. Es ist bereits sehr spät, hoffentlich nicht zu spät!